Leuchten ohne Strom – ein Bericht aus der BernerZeitung

mb-microtec produziert Glimmstäbchen, die jahrelang ohne Strom leuchten. Dafür wird Tritium eingesetzt. Cockpitanzeigen, Waffenvisiere oder Uhren sollen auch ohne Strom leuchten, um sie im Dunkeln gebrauchen zu können. Wie ist das möglich? Mit Tritium, einem schwach radioaktiven Gas. Bei dieser Technologie weltweit führend ist mb-microtec, ein Unternehmen, das mit rund 100 Angestellten in Niederwangen produziert.

Mikroskopisch dünn

Für die kleinen Glimmlichter werden Glasröhrchen mit Tritiumgas gefüllt. Die dünnsten Röhrchen sind bloss 0,3 Millimeter dick. Der Innenraum hat einen Durchmesser von 0,1 Millimetern: Das entspricht etwa der Dicke eines Haares. Die Röhrchen werden mit Zinksulfid beschichtet. Diese Schicht bringt Elektronen, die das Tritium ausstrahlt, jahrzehntelang zum Leuchten.

In der Produktion sind Mitarbeitende damit beschäftigt, Glasröhrchen mit Tritiumgas zu füllen und von Hand mit einer Flamme zu verschliessen. «Die Ausbildung für diese herausfordernde Arbeit dauert ein Jahr», sagt Roger Siegenthaler (50), der Chef von mb-microtec.

Die Glasröhrchen werden mit Lasergeräten auf die gewünschte Länge zugeschnitten. Die Kürzesten messen 2 Millimeter. Neben runden sind auch eckige Formen und fast alle Farben möglich.

Vergleich mit Strahlendosis von Bananen

Ist Tritiumgas gefährlich? «Es ist ein radioaktives Gas», räumt Siegenthaler ein, «aber ein schwach radioaktives, ein sogenannter Betastrahler, der vom Glas vollständig abgeschirmt wird und auch die Haut nicht durchdringen kann.»

Siegenthaler macht zur Strahlengefahr folgenden Vergleich: Selbst wenn man alles Tritiumgas in den Mikroleuchten einer Uhr einatmen würde, nähme man nur eine Strahlendosis auf, wie wenn man ein Jahr lang alle zwei Tage eine Banane essen würde. Denn Bananen enthalten ein radioaktives Kaliumisotop.

Das Tritiumgas bezieht mb-microtec aus Kanada, wo es im Betrieb bestimmter Atomkraftwerke (Schwerwasserreaktoren) anfällt. Obwohl es sehr kostbar ist, lässt sich in der Leuchtenproduktion ein gewisser Ausschuss nicht vermeiden, zum Beispiel in Reststücken. Diese Tritium-haltigen Abfälle wurden bisher in gasdichte Zylinder eingeschweisst und zwischengelagert. Die Strahlung von Tritium halbiert sich alle gut 12 Jahre – deutlich schneller als bei vielen anderen radioaktiven Abfällen aus Atomkraftwerken.

Recycling selber entwickelt

Wie das kostbare Tritium aus den Reststücken und von zurückgegebenen Leuchten gewonnen werden könnte, beschäftigt das Unternehmen schon lange. Nach intensiver Planung habe eine einzigartige Recyclinganlage in Betrieb genommen werden können, sagt Siegenthaler. Sie funktioniere im Prinzip wie die Abwasserreinigung: Das Tritium werde gefiltert und könne vollumfänglich wiederverwendet werden.

Die Qualität sei identisch mit jener von eingekauftem Tritium. «Viele Firmen weltweit sind an solchen Projekten gescheitert, wir haben es geschafft», sagt Siegenthaler.

Wegen des Tritiums wird das Unternehmen vom Bundesamt für Gesundheit und der Unfallversicherung Suva beaufsichtigt. Damit nichts entweichen kann, herrscht Unterdruck im Gebäude. Wer hinein oder hinaus will, muss durch eine Schleuse. Die Strahlung wird gemessen. Generatoren garantieren eine unterbruchsfreie Stromversorgung. Und auch bei Brand-, Erdbeben- und Einbruchschutz gelten bestimmte Vorgaben. Das alles erklärt, warum der 2018 fertiggestellte zweistöckige Neubau des Unternehmens 23 Millionen Franken gekostet hat.

15 Millionen Tritiumgasleuchten stellt mb-microtec pro Jahr her. Sie gehen weltweit an Kunden in der Sicherheits- und Autoindustrie, in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Uhrenbranche.

Uhren verkauft das Unternehmen auch selber unter dem Markennamen Traser. Rund 30’000 Stück waren es in früheren Jahren. 2022 konnten noch gut 15’000 Uhren verkauft werden, auch weil der wichtige Absatzmarkt Russland infolge der Kriegssanktionen nicht mehr beliefert werden darf. Zudem leidet das Unternehmen unter den Auswirkungen der hohen Inflation in diversen Märkten. Detaillierte Geschäftszahlen werden aber nicht publiziert.

Aus Cementit-Gruppe entstanden

Roger Siegenthaler war 2010 vom Pharmakonzern Roche gekommen. Er leitete eine Vorwärtsstrategie ein. Ermöglicht hat dies der Verwaltungsrat und die Besitzerfamilie Thüler. Das sind die Nachkommen von Oskar Thüler, dem es erstmals gelungen war, Tritium-Glasröhrchen zum Leuchten zu bringen. 1969 führten seine Bemühungen zur Gründung der MB-Microtec. MB geht auf Merz+Benteli zurück, das von Oskar Thülers Schwiegervater Walter Merz mit Albert Benteli gegründete Unternehmen, das vor allem mit dem Klebstoff Cementit bekannt wurde.